Woche 2 - Szia Budapest! Über Belgrad nach Sofia

Ziehen wir erst nach Prag oder Budapest? (Spoiler: Belgrad wird es eh nicht.) 

Auch die letzten beiden Tage in Budapest haben uns weiter für die Stadt begeistert. Ob man, um seinen Tagesdurchschnitt von 21,3 km zu erreichen, den höchsten Berg der Stadt erklimmt und dabei einen grandiosen Ausblick erntet oder bei einer der ganz wunderbaren Free Walking Tours durch das jüdische Viertel teilnimmt - Budapest kann einen besonders bei Sommerwetter nur für sich gewinnen. Und der Hipster in uns frohlockte ob der knallbunten, einzigartigen sogenannten "ruin bars", die in den 90ern illegal in alten Häuserruinen entstanden und seither Treffpunkte ungarischer Bohemians sind. Auf dem Foto seht ihr das bekannteste und leider inzwischen recht touristische Exemplar, das "Szimpla". Um den Bekanntheitsgrad zu ermessen: im Berliner Hot Spot Friedrichshain findet man mittlerweile zwei Szimpla-Kopien.
Den letzten Abend verbrachten wir, um den aufkommenden Abschiedsschmerz zu verdrängen, in einem sagenhaft guten Humus-Bistro - in der leisen Hoffnung, unsere nähere Zukunft möge sowas als Standardmahlzeit bereithalten.
Long story short: man fahre unverzüglich nach Budapest!

Steigt man in der ungarischen Hauptstadt in ein Auto und düst gemütlich nach Belgrad Centrale, so braucht man, sagt Google Maps, dreieinhalb Stunden. Da dachte sich der internationale Bahnverkehr: was entginge dem jungen Reisenden! und unterhält ihn in einer achteinhalbstündigen Fahrt mit allerlei Dorf und Kuh. Und zwar in einem Tempo, das einen bedächtiger als jeder Radfahrer die Landschaft wertschätzen lässt.

 

Es ist ein hochgestecktes Ziel, nach solch einer Fahrt Belgrad innerhalb nur eines Tages gerecht zu werden. Trotz der energiegeladenen, ihrer Stadt sehr verbundenen Free-Walking-Tour-Führerin und dem tourinternen Selbstgebrannten morgens um 11 (Živeli!) mussten wir die schönen Ecken etwas suchen. Man muss es den Belgradern hochhalten, dass sie ihre Stadt insgesamt vierzigmal komplett (!) wieder aufgebaut haben und dafür haben sie beachtliche Arbeit geleistet und sich ihre Feierwütigkeit bewahrt. Oder vielleicht sogar gesteigert. Aber ohne (EU-)Gelder verfallen die alten, stadtprägenden Gebäude: die größte Kirche Osteuropas steht leer und wird nur von Gerüsten gestützt.

 

Unsere Fotos zeigen trotzdem vor allem die Ecken, die uns sehr gut gefallen haben. Dazu gehört, Stichwort Feierwut, der Wegweiser in der alten Tavernenstraße, der den Rakija-Opfern den einen Ort weist, den sie auch trotz 3 Promille nicht verfehlen können (der Serbe kennt übrigens drei Stufen der Trinkfreude: am Tisch, auf dem Tisch, unter dem Tisch). Dieser Tavernenstraße schließt sich eine zweite an, deren Hauswände wunderbar bemalt wurden und die mit kleinen, feinen Cafés versehen ist. Belgrad hat außerdem eine alte Festung aus weißem Stein, der die Stadt ihren Namen verdankt (beo = weiß, grad = Stadt) und von der aus man einen phantastischen Blick auf die Donau hat.

 

 

 

Um nicht einen weiteren Tag damit zu verbringen, im Vorbeischleichen serbischen Hirten bei der Arbeit zuzuschauen, stiegen wir auf den Nachtzug um. In dem Mira ihr Faible für Instagram-Filter entdeckte, was das Foto erklären möge. Die EU wollte zwar um 6.10 Uhr wissen, ob wir verwirrte Flüchtlinge auf dem Weg in die falsche Richtung waren, und der ungarische Grenzbeamte 10 Minuten später sichergehen, dass der EU kein Fehler unterlaufen war. Trotzdem war das Erwachen im Sonnenaufgang in einem plötzlich bergigen, kaum besiedelten Bulgarien diese Aufregung wert.

Wir müssen vorwegnehmen: das einzige, was wir vor unserer Reise über Bulgarien wussten, war, dass ihr Team in der Quidditch-Weltmeisterschaft knapp von Irland geschlagen wurde. Alle sonstigen düsteren Vorurteile wurden bestätigt, als wir durch die Vororte von Sofia fuhren: graue Plattenbauten, Wiesen unter Müllbergen verborgen, spielende Kinder an den Gleisen, Wellblechhütten in Slum-Labyrinthen.

Und dann wanderten wir wenige Stunden später durch den Stadtkern und mussten feststellen, dass diese Vorurteile nicht im Ansatz für die ganze Stadt gelten: ein Palast hier, eine Kirche dort, gegenüber eine Moschee und ein großer Springbrunnen vor dem Stadttheater. In den Parks jonglieren junge Menschen, essen Mais mit Salz und Parmesan (für umgerechnet 50 Cent), flanieren über die breiten Fußgängerzonen und gehen bei DM Zahnbürsten und bei H&M Socken einkaufen. Wir konnten natürlich nicht anders, als am frühen Abend eine Free Walking Tour mitzumachen, die uns die sechstausendjährige Geschichte der Stadt buchstäblich vor Augen führte. Mitten in der Innenstadt kann man, glasüberdacht und einige Meter unterhalb des heutigen Stadtlevels, durch den alten, wunderbar aufbereiteten römischen Stadtkern Serdica spazieren. Nachts wartete ein lebhaftes, unverschämt billiges Kneipenleben auf uns und wir hatten auf dem Nachhauseweg keine größeren Sorgen um unsere sichere Ankunft als im braven Münster.

 

Was uns trotzdem erschreckend in Erinnerung bleiben wird, ist die Lautsprecherdurchsage durch die gesamte Stadt, die wir eine Stunde nach Ankunft hörten. Wie uns später erklärt wurde, wird in Sofia alle halbe Jahr ein Probeablauf durchgespielt, der den Fall eines Bomben- oder Giftangriffs simulieren und die Bevölkerung vorbereiten soll. Außer uns zeigte sich zwar niemand beeindruckt von der lautstarken Stimme, die durch die Straße hallte, erschreckend war es aber allemal. Und zeigte uns, dass das Leben hier trotz allem in einigen Aspekten anders ist.

 

Wir verlassen die Stadt aber trotzdem mit dem festen Vorsatz, Bulgarien noch einmal für mehr als zwei Tage zu besuchen, zumal die Natur zum Wandern umwerfend sein soll. Große Empfehlung für alle, die dem Tourismus entfleuchen und eine der ältesten Städte Europas erkunden möchten!

 

Nächste Woche berichten wir dann schon von unseren ersten Eindrücken aus Thessaloniki und unserer neuen Beschäftigung!